Artikel aus der Berliner Zeitung vom 22. März 2023
Challenge für Abiturienten: Wer traut sich im Pyjama in die U-Bahn?
Diese Woche geht es wieder rund an den Oberschulen. Der Abschlussjahrgang fordert sich vor den Prüfungen noch mal selbst heraus.
Diese Woche gibt es endlich mal gute Nachrichten aus unseren Schulen: Viele Schülerinnen und Schüler starren in diesen Tagen signifikant weniger auf ihre Handys, sondern treten aktiv miteinander in Kontakt. In der analogen Welt! Ist das nicht wunderbar?
Aber Achtung, nicht erschrecken, viele sehen dabei, nun ja, sehr gewöhnungsbedürftig aus. Und leider, leider sind einige schon am Mittag nicht mehr ganz nüchtern.
Es ist wieder Mottowoche an den hiesigen Oberschulen. Das bedeutet: Es ist die letzte mehr oder weniger reguläre Schulwoche für die angehenden Abiturienten. Danach sitzt jeder allein zu Hause und lernt für die anstehenden Abiprüfungen.
Um sich dafür zu wappnen und die gemeinsame Zeit standesgemäß zu Ende zu bringen, wird traditionsgemäß mit möglichst bizarren Verkleidungen gefeiert. Um Letzteres sicherzustellen, gibt es für jeden Tag ein anderes Motiv – daher der Name Mottowoche.
Ausnahmsweise mal keine Selbstoptimierung
An welchem Tag man als welche Figur kommen soll, wird in einem nicht schlüssig zu erklärenden, annähernd basisdemokratischen Verfahren ermittelt. Die einsilbige Antwort unserer Recherche lautete unisono: Die, die auch den Abiball organisieren, geben die Parole für den jeweiligen Tag aus, und die anderen machen bereitwillig mit. Und: „Hauptsache: Fete.“
Was die Sache noch liebenswerter macht: Es geht ausnahmsweise mal nicht um Selbstoptimierung und vorteilhafte Darstellung der eigenen Person, sondern eher um das Gegenteil. Alle sehen unmöglich aus. Das geht natürlich auch gar nicht anders, wenn man ernsthaft versucht, Mottos zum Leben zu erwecken wie: Pyjama und „anything but a backpack“.
Das mag jetzt für Erwachsene kryptisch klingen, aber die Betroffenen wissen, dass sie im Schlafanzug in die Schule kommen und ihre Schulsachen im Bierkasten oder im Kissenbezug mit sich führen sollen – eben in allem, nur nicht in einem normalen Rucksack.
Herausforderungen der Mottowochen
Bei den Mottowochen entscheidet jede Schule für sich, aber es gibt immer wiederkehrende Klassiker: Niemals fehlen darf der Tag, an dem alle als Helden der Kindheit kommen. Das hat auch etwas Rührendes: Vor einigen Jahren gab es einen jungen Mann, der sich als sein Großvater verkleidete.
Nicht ohne Herausforderung ist dagegen die Aufforderung, als Anfangsbuchstabe des eigenen Vornamens verkleidet zu kommen. Klar, dass dabei Vorbereitungen notwendig sind, die sämtliche Hausaufgaben oder Schulvorbereitungen unmöglich machen.
Konsequenterweise schwänzen viele der verkleideten Schülerinnen und Schüler gleich ganz den Unterricht, ziehen mit Musikboxen in den Park. Begegnen Sie ihnen mit Nachsicht – sie alle verdrängen so die Gedanken an den vielen Stoff, der noch reingepaukt sein will, bevor das schriftliche Abitur beginnt.